The Voices, USA/D 2014 • 103 Min • Regie: Marjane Satrapi • Mit: Ryan Reynolds, Gemma Arterton, Anna Kendrick, Jacki Weaver • FSK: n.n.b. • Verleih: Ascot Elite • Kinostart: 12.02.2015
Mord und Totschlag plus Lachgarantie? Ja, das geht bei „The Voices“ Hand in Hand. Die Regisseurin der gefeierten Comic-Adaption „Persepolis“, Marjane Satrapi, schafft die Verschmelzung von ein bisschen Horror hier, ein bisschen Psycho dort, pechschwarzer Humor obendrauf, inklusive schauspielerischer Granateneinlage von Ryan Reynolds, ohne zu stolpern. Was „The Voices“ dann noch mit einem Film wie „Ted“ mit einem sprechenden Kuscheltier gemein hat, ja, wie soll man es ausdrücken, ist einfach nur verrückt. Ganz frisch vom Fantasy Filmfest 2014 ist dieser Streifen eine direkte Sehempfehlung und war nach „5 Zimmer Küche Sarg“ mindestens der zweitlustigste Film des diesjährigen Programms.
Jerry (Ryan Reynolds) ist ein schmucker, junger Lagerarbeiter in einer Firma für Badewannenherstellung. Alles scheint normal zu laufen. Wäre Jerry doch bloß nicht so einfältig, tollpatschig und naiv, würde er bestimmt bei Firmen-Schönheit Fiona (Gemma Arterton) landen können. Doch Jerry hört Stimmen. Sein Haustiergespann, die Katze Mr. Whiskers und Bulldogge Bosco, quatschen Jerry ständig voll, dass er zu gutherzig und einfach treudoof ist. Jerry sei einfach zu gut für diese niederträchtige Welt. Seine betreuende Psychologin (super: Jacki Weaver) ist zunächst erfreut, dass er in der Firma Anschluss findet, weiß sie jedoch nicht, dass Jerry seine Medikamente heimlich abgesetzt hat. Als Kollegin Fiona den wartenden Jerry versetzt, eskaliert und entgleitet die Situation.
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Wie gern schaut man Serienkillern über die Schulter? „American Psycho“, „Der siebte Tod“, „Dexter“ oder „Mr. Brooks“ sind nur einige Beispiele aus Literatur, Serie und Film. Die Faszination des Bösartigen und was die treibende Kraft hinter Gräueltaten ist, reißt nicht ab. Hierbei handelt es um einen humoristischen Ansatz, der grotesk mit schizophrenen Störungsbildern und morbiden Lachern eine grandiose Leinwanderfahrung bietet. Man sollte sich auf den Spagat von funkelnden, Over-the-Top-Kitschbildern mit Schmetterlingen, wie in der fabelhaften Welt von einer sogenannten Amelie auf der einen, und auf der anderen Seite mit schmutzigen Slasher-Einlagen in bester „Scream“-Manier einlassen. Leute mit Schwierigkeiten über Pietätlosigkeiten und wirklich bizarre, überzogene, farbenfrohe Bilder lachen zu können, seien hiermit gewarnt. Dabei spiegeln gerade die krass auseinanderklaffenden Bildwelten die konstruierte Schutzhülle um die Realität des Protagonisten wider. Für den Zuschauer werden die Schauplätze meist aus Jerrys verzerrter, beschönigter Zuckerguss-Sicht gezeigt und ab und an sieht man z.B. den wahren, verwahrlosten Saustall von Wohnung, in der er lebt.
Dann verirrt sich auch noch einer wie Ryan Reynolds, der vielen vielleicht aus Fäkalkomödien oder Klischee-RomComs eher als aus Indie-Produktionen wie „Buried“ bekannt ist, und feiert diese ausgefallene Rolle eines schizophrenen Killers ab, als gäbe es kein Morgen mehr. Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Sehr nuanciert böse in kleinen, flüchtigen Schlüsselmomenten und kasperhaft grinsend und überanstrengt in den meisten anderen Situationen, beobachtet man Reynolds Spiel. Glaubhaft pendelt Ryan Reynolds zwischen absurd und unheimlich. Sein Charakter erlebte in früher Kindheit ein massives Trauma zusätzlich zur scheinbar erblichen Vorbelastung. Bevor man jetzt die Augen rollt und denkt: „Pfff, ausgelutschter kalter Kaffee“, dem sei gesagt, dass schizophrene Störungsbilder oft ihren Ursprung in solchen Szenarios verorten. Das Buch „Aufschrei“ handelt beispielsweise von einer missbrauchten Frau, die bis zu 90 Persönlichkeiten krankhaft erschaffen hat, um mit dem belastenden Erlebten klarzukommen. Also ruhig darauf einlassen, 13 gerade sein lassen, denn es lohnt sich. Außerdem kommt die Vorgeschichte keineswegs überladen daher und nimmt keinen sperrigen Raum ein. Herr Reynolds spricht zudem seine tierischen Kumpanen Mr. Whiskers und Bosco (und ein paar weitere Tiere) alle selbst so wie hochakzentuiert. Die Katze erinnert an den Zorro-Kater aus „Shrek“ (dazu noch mit schlechtem schottischem Akzent!) und der Hund an einen brabbelnden Redneck. Die Parts sind klar aufgegliedert: Mr. Whiskas ist Teufel und Bosco das Engelchen. Hin- und hergerissen versucht Jerry er selbst zu sein. Aber was ist er oder was will er sein? Gut, böse oder von Natur aus festgelegt? Diese Dinge werden allerdings nur kurz oberflächlich angerissen, um den Spaßfaktor weiterhin im Fokus zu behalten.
Den anderen Darstellern wie Gemma Arterton oder Anna Kendrick ist zu Gute zu halten, dass sie neben ihrer soliden Performance, an diesem Paradestück an Skurrilität mitwirken. Ihre Rollen sind nicht sehr differenziert, werden aber ohnehin nur aus Jerrys Wahrnehmung heraus gesehen. Die wahren Stars aber sind neben dem enorm aufspielenden Hauptdarsteller das Haustier-Duo. Derbe Sprüche, Wortgefechte und Scherereien sind an der Tagesordnung, wenn sie Jerry mörderische Empfehlungen geben. Die Trefferquote ist hoch und von A-Z eher morbider Natur und comichaft überdreht. Vor allem, dass der Zuschauer eher geneigt ist, auf Jerry Seite zu stehen, hantiert effektiv mit einigen Konventionen der gemixten Genres. Im Endeffekt definitiv nicht für jeden Geschmack, aber einen Blick sollte man wagen. Fast vergessen: Dieses Jahr hatten wir mit dem Abspann von "22 Jump Street" einen sehr witzigen Beitrag, aber "The Voices" kredenzt dem geduldigen Kinogänger einen weiteren sehenswürdigen Abspann.